
Viele, die meine Reiseberichte hier bei womosuche.de gelesen haben, wissen, dass ich seit Jahrzehnten regelmäßig mehrmals im Jahr in Frankreich unterwegs bin und möglichst Autobahnen vermeide. Nicht aus Geiz, sondern, weil ich auf den oft gut ausgebauten Nationalstraßen aber auch auf den anderen kleinen Straßen und Sträßchen viel mehr sehe und dort stets die Gelegenheit habe – wohnmobiltypisch – anzuhalten, zu besichtigen oder gar zu verweilen.
Auch in diesem Sommer blieb ich meinem Motto treu, als ich an die Atlantikküste wollte und zuvor einige Schlenker und Zwischenstationen machte. Wie schon so oft – jedoch zugegebenermaßen etwa zwei Jahre lang nicht mehr – fuhr ich über die N 79 durch die Auvergne. Diese Strecke kenne ich als gut ausgebaute, schöne, kostenlose Route Nationale. Aber das war einmal! Gut ausgebaut und schön, ja, doch plötzlich tauchte vor mir ein blaues Schild mit „péage“ auf. Fragezeichen über Fragezeichen. Na gut, dachten wir, dann bezahlen wir eben, ist ja nicht unser erstes Mal, dass wir eine Mautstation passieren.
Nur gab es keine Mautstation! Stattdessen Schilder – natürlich auf Französisch –, die ich beim Fahren so schnell nicht lesen konnte. Hängen geblieben sind die Worte „flux libre“ und „ALIAÉ“. Na toll! Und was ist das?
Falls auch du ahnungslos bist oder aber nicht so genau weißt, was es mit diesem „flux-libre“ auf sich hat, möchte ich dir heute ausführlich darüber berichten.
Was bedeutet „flux-libre“?
Wie sicherlich jedem bekannt, sind die meisten der Autobahnen Frankreichs mautpflichtig, wobei sich deren Mauthöhenach der gefahrenen Strecke richtet. Das bedeutet: An einer weithin sichtbaren, oft über mehrere Fahrbahnen verlaufende Mautstation anhalten, ein Ticket ziehen und beim Verlassen der Autobahn oder beim Wechsel in einen bestimmten anderen Autobahnabschnitt bar oder mit Karte bezahlen. Für uns Wohnmobilisten ist das oft gleichbedeutend mit gymnastischen Übungen, da die Ausgabe der Tickets aber auch der Einschub für Geld oder Karten dermaßen ungünstig liegen, dass man weder oben noch unten am Automaten richtig rankommt – vor allem, wenn man so kurze Arme hat wie ich.
Nun soll sich das in den kommenden Jahren allmählich ändern: Frankreich baut dieses System nach und nach um. Das bedeutet, die Mautstationen verschwinden sukzessiv und dafür wird das digitale Free-Flow-System, auf Französisch „péage en flux libre“, eingeführt.
Nachteilig, zumindest solange, bis sich „flux libre“ etabliert hat, könnte sein, dass die Mautstrecken weniger offensichtlich, ja man könnte sagen „unsichtbar“, sind als die ursprünglichen Maut-Strecken mit Mautstationen und Schranken. So auch in meinem Fall, den ich oben schilderte: Aus der einstigen N79 ist auf einer ca. 88 km langen Teilstrecke (zwischen Digoin und Sazaret, in den Départements Allier und Saône-et-Loire) seit Oktober 2022 eine mautpflichtige Autobahn – die A79 – geworden. Es handelt sich dabei übrigens um die erste in Betrieb genommene Flux-libre-Autobahnstrecke. Laut dem verantwortlichen Autobahnbetreiber Aliaé sind dort neun Porttalbrücken installiert, die dein Autokennzeichen scannen.

Wie erkenne ich die Flux-libre-Strecken?
Ich behaupte, dass man sie auf den ersten Blick nur schwer erkennt: Zunächst liest du auf den Hinweistafeln das altbekannte Wort „péage“ für „Maut“, welches dir signalisiert, dass du ab dem dazugehörenden Ort/Streckenabschnitt auf einer gebührenpflichtigen Straße sein wirst. Das Schild ist, wie bislang üblich, so frühzeitig angebracht, dass du noch rechtzeitig abfahren kannst, wenn du die Mautpflicht umgehen möchtest. Es folgen Schilder mit „péage flux libre“ und – für meine Begriffe während des Fahrens zu schwierig zu lesenden – Infos bezüglich den entsprechenden Betreibern beziehungsweise Hinweisen auf die App. So ist es jedenfalls auf der A79. Die anderen Flux-libre-Strecken bin ich persönlich noch nicht gefahren, ich gehe jedoch davon aus, dass es dort nicht anders sein wird.
Verpasst du – wie ich letztens – die letzte Ausfahrt auf der N79/A79, so entdeckst du schon bald eine Art Metallbrücken mit Sensoren und Kameras, durch die du automatisch fährst. Erinnert ein bisschen an die „Brücken“ auf unseren deutschen Autobahnen, wo die LKW-Maut registriert und/oder an bestimmten Stellen Radaranlagen installiert sind.
Wie funktioniert flux libre?
Fährst du unter oben erwähntem Portal durch, so wird dein Autokennzeichen oder auch – falls vorhanden – deine elektronische Mautbox (Telemaut-Badge) mithilfe der Detektoren erfasst. Wer eine solche Box hat, bei dem piepst es wie bei der Télépéage gewohnt. Das ist für Frankreich-Vielfahrer, die häufig die Autobahn benutzen, sicherlich die ideale Lösung. Alle anderen ohne Box müssen sich selbst um die anschließende Bezahlung kümmern.
Und so läuft das Ganze ab:
- Du fährst unter der Metallbrücke durch ohne deine Geschwindigkeit zu drosseln. Dein Nummernschild sowie das Datum und die Uhrzeit werden erfasst.
- Verlässt du die Autobahn/die Flux-libre-Teilstrecke, werden – abermals an einem Maut-Portal – deine Daten wiederholt erfasst und die zurückgelegte Strecke berechnet.
- Die Bezahlung erfolgt dann entweder wie gewohnt über deine Mautbox oder durch deine Nummernschildregistrierung.
Wie bezahle ich ohne Mautbox?
Wichtig ist zunächst, dass du weißt, wer der Betreiber dieses Flux-libre-Abschnitts ist: ALIAÉ oder Sanef (s.o.).
Für die Bezahlung selbst stehen dir verschiedene Arten offen:
- Du bezahlst online auf der entsprechenden Website (aliae.com oder www.sanef.com). Hier wirst du durch die Bezahlprozedur „geführt“, bei sanef jedoch nur in Deutsch als „Übersetzung“ oder in Französisch, wahlweise Englisch. Mit viel Geschimpfe und Gemotze habe auch ich es letztendlich geschafft, mich bei ALIAÉ zu registrieren und zu bezahlen. Wichtig ist, dass du dein Kennzeichen eingibst. Welche Zahlungsart möglich ist, wird dir angezeigt; ich habe meine Kreditkarte benutzt.
- Du kannst im Nachhinein (spätestens 72 Stunden nach dem Verlassen der Mautstrecke) in einer der NIRIO-Verkaufsstellen, normalerweise Tabakläden (Bar-Tabac), bezahlen. Diese erkennst du am entsprechenden Aufkleber an der Tür. Dort nennst du dem Verkäufer dein Autokennzeichen, bekommst dann den zu zahlenden Betrag genannt und bezahlst.
- An der A79 stehen zudem auf den Raststätten Flux-libre-Zahlstellen – sogenannte „bornes de paiement“ –, an denen du mit Münzen oder Bank- beziehungsweise Kreditkarte bezahlen kannst.
- Ebenso möglich ist eine Online-Vorauszahlung (bis zu 7 Tage vor Nutzung der Autobahnstrecke). Dafür musst du jedoch wissen, welche Strecke du wirklich fährst. Zur Vorauszahlung gehst du auf die entsprechende Website und klickst an die richtige Stelle. Solltest du nicht innerhalb von 7 Tagen nach der Vorauszahlung deine Reise abgeschlossen haben, bekommst du dein Geld zurücküberwiesen.
Fazit
Steigt man einmal durchs Flux-libre-System durch und hat sich damit angefreundet, so erkennt man zahlreiche Vorteile:
- Das lästige Warten – gerade in Stoß- und Ferienzeiten – an den Mautstationen entfällt.
- Der Verkehr fließt besser, was wiederum weniger Kraftstoffverbrauch sowie geringere CO₂-Emission nach sich zieht.
- Die freie Durchfahrt bedeutet gleichzeitig Stressfreiheit sowie Reduzierung der Unfallgefahr (Auffahrunfälle an Mautstationen durch Abbremsmanöver auf der Autobahn sind bislang keine Seltenheiten.).
- Ein geringer Vorteil, jedoch erwähnenswert, besteht darin, dass durch die Abschaffung der Mautstationen weniger Fläche gebraucht wird.
Natürlich sollte man auch die Nachteile nicht verschweigen:
- Du musst wissen, welcher Betreiber für welche mautpflichtige Autobahn zuständig ist, um online bezahlen zu können.
- Eine automatische Bezahlung ist nicht möglich, du musst selber aktiv werden.
- Du musst mit der digitalen Technik vertraut sein.
- Du musst dich registrieren bzw. dich um eine fristgerechte Bezahlung sorgen.
Weitere Informationen findest du unter paiement.aliae.com/de/ oder unter www.sanef.com (lediglich in Französisch oder Englisch).